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Wozu noch Verlage? Die Wirtschaft kann den Journalismus retten!

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Die etablierten Print-Verlage habe noch keine gute Strategie gefunden, um im Internet Geld zu verdienen; Blogger sind oft arm wie die Kirchenmäuse. Die Folge: der Online-Journalismus leidet, obwohl er doch eigentlich die Zukunft sein sollte. Ein drittes Modell könnte die Lösung sein: Wirtschaftsunternehmen, die bislang kaum etwas mit Medien zu tun haben, betreiben Redaktionen. Einige Erfolgsbeispiele zeigen, dass dies durchaus ein Modell sein kann, um den Journalismus zu retten.

Das Geschrei war groß, als im November letzten Jahres das endgültige Ende der Netzeitung verkündet wurde. Die Mitarbeiter protestierten, still, mit der Feder in der Hand oder ganz offen. Dann packten sie leise ihre Sachen und gingen. Ziel unbekannt. Sie waren Opfer geworden eines Verlags, der zwar eine Weboffensive angekündigt hatte, dann bei diesem ambitionierten Projekt aber doch den Stecker zog.

Kann die Wirtschaft es besser machen als die Verlage?

Ob dies oder die unsäglich dumme Klage der Verlage gegen Google – es wird eins offensichtlich: Viele Verlage haben keine Ahnung vom Internet. Regiert und ausgepresst von einem renditeverliebten Management sind sie nicht bereit zu investieren; oft missbraucht von Interessen aus Lobbyismus, Anzeigengeschäft und Führungsetage berichten viele schon lange nicht mehr unabhängig.

Warum betreibt dann nicht gleich die Wirtschaft die Redaktionen?

Sie tut es. Und erste Beispiele zeigen, dass sie es auch nicht schlechter machen als die erfahrenere Konkurrenz aus dem Verlagsgeschäft.

Wirtschaft betreibt Journalismus

Das Paradebeispiel der Blogosphäre dürfte das führende Technik- und Web-2.0-Blog BasicThinking sein. Als die Ein-Mann-Maschine Robert Basic sein Blog im Januar 2009 bei Ebay versteigerte, schlug die Intergenia AG zu. Der Hosting-Anbieter aus Hürth bei Köln betreibt die Marken Plusserver, Server4you und Serverloft – daneben aber auch das Redaktionsportal Onlinekosten.de. Dessen Redaktion kümmerte sich fortan auch um BasicThinking und installierte um André Vatter ein eigenständiges Team. Dieses steht heute besser da als zu Basics Zeiten und verdient durch leichte Werbeaktivitäten inzwischen Geld.

Komplette Finanzierung über Werbung möglich

Ich habe diesen Beitrag im vergangenen Frühjahr geplant und einige Interviews bereits aus dieser Zeit geholt, als YuccaTree noch freshzweinull hieß. Damals gab es auf BasicThinking.de noch gar keine Werbung. Heute nimmt die Redaktion Geld mit einer pfiffigen Affiliate-Variante ein, die kaum jemanden stören dürfte. Christoph Berger, Gründer und Vorstand von Intergenia, gab mir damals am Telefon und per Mail ein kleines Interview, das ich hier in Teilen wiedergeben möchte. Zur Klärung sei noch gesagt: Die Intergenia-Tochter Serverloft war es damals, die den Blogkauf aus ihrem Marketingbudget finanzierte. Die Redaktion übernahm später Onlinekosten.de.

Frage: Lohnt sich der Betrieb von Basic Thinking für Serverloft? Ist der Betrieb des Blogs eine Marketing-Maßnahme? Und welchen Vorteil hat Serverloft davon eigentlich?

Christoph Berger: Das Blog selbst wird von onlinekosten.de betrieben, serverloft ist nicht mehr in den Betrieb involviert. Käufer damals war aber unsere Schwestermarke “Serverloft”, die den Kauf aus dem eigenen Marketingbudget finanziert hat. Der Kauf damals war von dem Wunsch getrieben, dass das Blog nicht irgendwie ausgeschlachtet wird, sondern weiterbetrieben wird. Und mit der Konstellation Serverloft als Käufer und onlinekosten.de als Betreiber haben wir uns als intergenia gut genug aufgestellt gefühlt, um diese Herausforderung zu stemmen.

Frage: Man findet auf Basic Thinking keine Werbung. Warum eigentlich nicht? Schon mit ein paar Google- und Affiliate-Links müssten sich bei euren Besucherzahlen doch gute Einnahmen erzielen lassen.

Berger: Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir das Blog nicht ausschlachten wollen und verzichten daher nach wie vor eigentlich komplett auf Werbung/Einnahmen. Irgendwann wird sich das aber ändern (müssen), da wir uns ewig ein Blog ganz ohne Einnahmen nicht leisten können/wollen.

Frage: Haltet ihr es für theoretisch möglich, Basic Thinking komplett über Werbung zu refinanzieren, so dass Serverloft mit dem Betrieb keine Kosten entstehen oder sogar ein Gewinn abfällt?

Berger: Ja, das halte ich mittelfristig für möglich! ;-)

In wie weit Intergenia Einfluss auf die Inhalte bei BasicThinking nimmt, ist für Außenstehende nicht ohne weiteres zu beurteilen. Ich lese die Seite aber fast täglich und es scheint mir, als würde der Redaktion bei Themenauswahl und Inhalt freie Hand gelassen. Sicher, ab und an gibt es mal einen Beitrag über Hosting, der ein wenig gegen einen Mitbewerber schießt. Das hält sich allerdings in klaren Grenzen.

BasicThinking/Intergenia ist das prominenteste Beispiel, das mit einfällt, wenn es um Redaktionen geht, hinter denen Geschäftsleute stehen, die mit Medien und Verlagswesen eigentlich wenig zu tun haben. Man kann ihnen vorhalten, dass sie erkannt haben, dass sich mit Redaktionen gutes Geld verdienen lässt und sie das jetzt ausschlachten wollen. Doch was anderes als Rendite und darüber hinaus noch Einflussnahme wollen Medienmogule vom Formate eines Rupert Murdoch oder eines David Montgomery?

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Unternehmensleitung lässt der Redaktion freie Hand

Ein weiteres Beispiel ist das deutlich kleinere und doch gut recherchierte Blog Handelskraft.de, das wir in unserer Liste 25 wunderbarer Blogs abseits des Mainstreams aufgenommen haben. Sebastian Herold bloggt dort seit rund einem Jahr über Themen wie SEO und Web 2.0. Handelskraft wird vom Softwarehersteller dotSource betrieben, der Produkte wie Meganto und Scoobox verkauft. Herold schrieb mir bereits im April letzten Jahres (leicht gekürzt):

Handelskraft ist der Firmenblog der dotSource GmbH. Ich, der momentan überwiegend die Betreuung für Handelskraft übernommen hat, bin dementsprechend auch Angestellter dieser Agentur und werde unter anderem auch für das Bloggen bezahlt. Handelskraft hat sich thematisch von der dotSource entfernt, was daran liegt, dass wir uns nach außen gerne auch interessiert geben wollen. Wir sind es auch, ich bin es auch. Somit zeigt sich möglicherweise auch, dass eine Agentur wie die unsere im Web-2.0 aktiv unterwegs ist und ergo auch Ahnung hat, was sie ihren Kunden anbietet.

Ich habe redaktionell freie Hand und werde in keiner Weise mehr zu Werbezwecken gezwungen. Handelskraft ist unabhängig, quasi.

Fängt man erst einmal an zu suchen, ergeben sich weitere interessante Beispiele. Hinter dem Blog Techbanger.de steht der Internetmarketer ITam GmbH aus Reinheim bei Darmstadt. Das immer aktuelle Sammelalbum Web2null.de wird von der Düsseldorfer Online-Agentur Active Value betrieben.

Zugegeben: Ganz fachfremd sind die beiden letztgenannten Betreiber nicht. Active Value hat das Content-Angebot aber nicht – wie man annehmen könnte – mit Eigenwerbung zugekleistert, sondern hält sich unauffällig im Hintergrund. Die Agentur hat durchaus einen Nutzen von einem solchen Angebot. Sie kann ihre Kompetenz damit unter Beweis stellen.

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Ähnlich verhält es sich mit dem Ernährungsblog Das-ist-drin.de. Dahinter steht die Bonner Snoopmedia GmbH, ein Internet- und IT-Dienstleister. Geschäftsführer Gerald Neu antwortete mir im Juli letzten Jahres auf meine Frage mit ein wenig Marketingsprech:

Warum als Unternehmen ein Content-Portal betreiben? Gute Frage eigentlich, allerdings müssen wir ganz ehrlich sagen, dass diese sich für uns gar nicht mehr so wirklich stellt. [...] das-ist-drin ist für uns die optimale Testplattform, wir haben hier beispielsweise die Möglichkeit, Konzepte, Ideen oder Systeme auszuprobieren, bevor wir damit in den Kundeneinsatz gehen. Wenn´s so klappt, wie wir uns das vorstellen, haben wir eine super Referenz, wenn nicht, wird es eben beerdigt und unter Erfahrungen verbucht. Hinzu kommt, dass wir das-ist-drin wunderbar nutzen können, um als Agentur Öffentlichkeit zu generieren, nicht zuletzt auch, weil wir damit ein Feld bearbeiten, in dem wir bisher gar nicht tätig waren.

Hinter den genannten Beispielen stehen allesamt internetaffine Unternehmen. Die meisten verbuchen den redaktionellen Aufwand als Marketing-Ausgabe. Ist die Reichweite groß, wie im Falle von BasicThinking, lassen sich damit allerdings auch Kosten wieder einspielen, vielleicht sogar Gewinne erzielen.

Geld für den Journalismus von denen, die es haben

Vielleicht sind die meisten der oben genannten Versuche keine Paradebeispiele. Es stecken jeweils kleine Unternehmen mit bescheidenen Einnahmen dahinter. Worum es mir eigentlich geht, sind die Großkopferten. Internationale Player wie Adidas oder Puma, DAX-30-Unternehmen wie die Deutsche Bank oder die Deutsche Post. Diese könnten mit etwas Geschick ohne Verlust aus der Sache herausgehen und würden damit zur Abwechslung mal etwas Gutes tun.

Die erhöhte Aufmerksamkeit und Bekanntheit eines gut florierenden Blogs könnte selbst einen leichten Verlust einer redaktionellen Sparte rechtfertigen. Die Konstellation muss nur erst einmal Vertrauen gewinnen. Wenn Mercedes Benz ein Autoblog herausgeben würde, T-Mobile ein Handyblog oder Industrieverbände eine Wirtschaftszeitung, dann wäre es mit der Glaubwürdigkeit nicht weit her.

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Dax-30-Unternehmen Merck. Potenzieller Kandidat, um eine Redaktion zu finanzieren?

Eine Blogsoftware zu installieren, ist keine Hexerei

Anders sähe es aus, wenn etwa BMW ein Web-2.0-Blog finanzierte, Schraubenhersteller Würth ein Blog über Entwicklungshilfeprojekte oder Sony BMG ein Portal für investigativen Journalismus. Alles rein fiktive Beispiele, klar. Ich denke dabei auch nicht an gedruckte Tageszeitungen und Zeitschriften. Dafür bedarf es durchaus noch der Kompetenz und Kontakte, die Handelsunternehmen nicht haben. Aber in Sachen Web, wo es keine Hexerei ist, eine Blogsoftware zu installieren und einen Webdesigner ein hübsches Template basteln zu lassen – warum nicht?

Das Prinzip kann funktionieren, wenn sich die Unternehmen an eine Selbstverpflichtung halten, nicht auf die Inhalte der Redaktion einzugreifen. Eine unabhängige Institution könnte das kontrollieren. Die Unternehmen könnten bestehende Redaktionen oder Blogs kaufen oder ihnen finanziell unter die Arme greifen. Sie könnten gestandene Journalisten beschäftigen und ihnen inhaltlich und personell – im Rahmen eines festgelegten Budgets – freie Hand lassen.

Wenn am Ende des Jahres die schwarze Null steht, hat das Unternehmen dabei nichts verloren – dafür aber den Journalismus am Leben gehalten. Es könnte eine Möglichkeit für die Zukunft sein, über die es sich zumindest einmal zu diskutieren lohnt.

Was meint ihr?

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